1762 wurde in der
Höttinger Au in Tirol eine Theatergruppe gegründet, die sich später im
Innsbrucker Vorort Pradl niederließ und mit ihrem einmaligen Genre als „Pradler
Ritterspiele“ im gesamten deutschen Sprachraum bekannt wurde.
1897 gastierten
die „Pradler Ritter“ erstmalig in Wien, im Etablissement Ronacher. Dem Ensemble
gehörten damals Ferdinand Bayer, Ferdinand Exl, Ferdinand Gstettner, Hans
Gstettner, Ludwig Gürtler, Anna Rauter, Carl Rauter, Ferdinand Rauter, Anton
Schmidt, Josephine Weiß und Josef Thaler an. Josephine Weiß entstammte aus der
Familie der Theatergründer und war Direktorin des Ensembles.
1902 teilte sich
die Gruppe. Während die „Pradler Ritter“ mit den Familien Weiß und Rauter auf
Wanderschaft ging und in Österreich, Deutschland und der Schweiz Gastspiele
gab, blieb Ferdinand Exl in Innsbruck und nannte sein Theater nun Erste Tiroler
Bauernspiel-Gesellschaft, das aber unter dem Namen „Exl-Bühne“ weit mehr
Bekanntheit erlangte. Das Ensemble bestand vorwiegend aus Familienmitgliedern
Ferdinand Exls und der Familie Auer (Ludwig, Leonhard und Mimi Gstötter-Auer)
Am 25. Oktober 1912 wurde unterdessen in Wien das
"Bierkabaret Simplicissimus“ eröffnet. 12 Sensationen und beste Qualität in
der Küche wurden im ersten Programm angepriesen. Ein buntes Programm in dichter
Abfolge: Rezitationen, Conferencen, Klavierimprovisationen, Schnellzeichner,
Operetttenschlager, Artisten, Chansons etc
Die Wiener machten bald aus dem "Simplicissimus" liebevoll den
"Simpl".
1922 ging auch
Ferdinand Exl nach Wien, wo er Direktor des Wiener Raimundtheaters wurde. Die
in Tirol verbliebenen Schauspieler nannten sich zunächst Pradler Bauerntheater
und später Alt-Innsbrucker Bauerntheater und Ritterspiele
1931 eröffnete
Stella Kadmon im Souterrain des Café Prückel den „Lieben Augustin“ als
literarisches Cabaret. Ihr zur Seite standen Peter Hammerschlag als Autor, Alex
Szekely als Zeichner und Fritz Spielmann als Komponist und Pianist. Anfänglich
eher ein buntes Brettl mit Improvisation (Blitzgedichte von Hammerschlag, dazu
Zeichnungen von Szekely, Literaturparodien und parodistische Tänze), änderte
„Der liebe Augustin“ ab 1933 seinen Stil, der politischen Situation
entsprechend. Ab nun wurden auch Tucholsky und Kästner gespielt, Gerhart
Herrmann Mostar und Hugo F. Koenigsgarten wurden zu Hausautoren. Auch formal
trat langsam eine Veränderung ein: Weg vom Nummerncharakter hin zum Einakter
und Mittelstück. Zum Ensemble gehörten u.a. Gusti Wolf, Herbert Berghof, Leo
Aschkenazy (Leon Askin), Fritz Muliar und Fritz Eckhardt. Am 10. März 1938
mußte „Der liebe Augustin“ seinen Spielbetrieb einstellen.
Die „Pradler
Ritter“ waren in dieser Zeit auf Tournee und gaben viele Gastspiele im In- und
Ausland. Unter Anderem waren sie auch immer wieder in Wien an verschiedenen
Spielorten.
Zwei Abende vor dem "Anschluß" am 10.März 1938
lief die vorläufig letzte Vorstellung im Simpl: "Metro Grünbaum-Farkas´
höhnende Wochenschau". Farkas konnte rechtzeitig ins Ausland fliehen.
Grünbaum wurde im KZ Buchenwald ermordet.
1945 durch Fritz
Eckhardt und Carl Merz wiedererweckt, übernahm Stella Kadmon den „Lieben
Augustin“ nach ihrer Rückkehr aus dem Exil 1947. Ein Jahr später wandelte sie
ihn in eine Schauspielbühne um und änderte auch den Namen in „Theater der
Courage“. Später etablierte sich im Prückel-Keller in der Biberstraße das
„Studententheater am Luegerplatz“
Im Simpl stellte sich der durchschlagende Erfolg ein, als
am 17. Oktober 1950 der Name Karl Farkas auf dem Plakat zum Programm
"Dienst am Kunden" stand. Von da an war er bis zu seinem Tod im Jahre
1971 Autor (oft gemeinsam mit Hugo Wiener), künstlerischer Leiter, Regisseur
und Hauptdarsteller des Simpl und damit auch die unangefochtene Nummer Eins des
Wiener Kabaretts. Mit Ernst Waldbrunn und Maxi Böhm nahm er die
Doppelconference wieder auf. In seinem Ensemble trat die gesamte Komikerelite
Wiens auf. Zu den von Farkas entdeckten Lieblingen zählten: Cissy Kraner, Elly
Naschhold, Fritz Muliar, Heinz Conrads, Alfred und Maxi Böhm, Otto Schenk und
Ossy Kolmann. Nobody is perfect: Peter Alexander wurde von Farkas nach einer
Spielsaison mit den Worten "Nicht einmal singen kann er"
hinausgeworfen
1955 zogen dann
die "Original Pradler Ritterspiele" in der Biberstraße im ehemaligen
„Studententheater am Luegerplatz“ ein, wo sie nach den Jahren der Wanderschaft
nun für längere Zeit eine fixe Bleibe fanden. Das Theater wurde zu dieser Zeit
von Max Höller geleitet, der mit der Tochter von Josephine Weiß verheiratet
war.
1964 gab es im
„Haus der Jugend“ in der Zeltgasse im 8 Bezirk für aufstrebende Theatergruppen
die Möglichkeit, Proben und Aufführungen zu veranstalten. Eine dieser Gruppen
war der von Martin Flossmann gegründete „bunte Wagen“, dem neben seiner Gattin
Tamara Stadnikow auch Hans Harapat, Peter Sexl und , Louis Strasser angehörten.
Eine andere Gruppe
war die „Wiener Humorfabrik“ unter der Leitung von Ossi Heiter, der damals
unter Anderem Fritz Rodin, Terry Loane, Anni Graf, Greta Gritt, Denise Papillon
und Dolfi Gruber angehörten.
Bereits zu dieser
Zeit bahnte sich eine lockere Zusammenarbeit zwischen Martin Flossmann und Ossi
Heiter an. Während Ossi Heiter immer wieder Sketchtexte und kurze Szenen für
Flossmann verfasste, bot dieser der Humorfabrik an, Gastspieltermine zu übernehmen,
da der bunte Wagen sehr viele Angebote hatte und diese nicht alle selbst
bespielen konnte.
Mit dem Tod von
Max Höller übernahm seine Tochter Gretel Höller die Pradler Ritterspiele in der
Biberstraße. Bereits damals zählte Albert Lechner zu den Ensemblemitgliedern.
Ossi Heiter war zu
dieser Zeit österreichischer Sekretär des internationalen Vereins Mensa, zu dem
neben dem Industriellen Georg Mautner-Markhof und dem Personalberater Georg
Fischhof, dem Journalisten Ernst Erwin Swietly und der Kabarettistin Edith
Leyrer auch der damals in Wien bekannteste Friseur Theo Kovacic („der Theo mit
der Scher“) gehörte.
Ossi Heiter trat
außer mit der Humorfabrik auch in vielen anderen Keller- und Kleinbühnen auf
und 1968 wurde er Ensemblemitglied der Pradler Ritterspiele wo seine erste
Rolle der jugendliche Liebhaber war. In dieser Zeit gab es noch rudimentäre
Kontakte zwischen den Mitwirkenden der Pradler Ritter und des Kabarett Simpl in
der Wollzeile. Des öfteren trafen Angehörige der beiden Kellerbühnen eher zufällig
in dem Restaurant Ecke Wollzeile/Luegerplatz zusammen, wenn sie nach
Vorstellungsende dieses Lokal aufsuchten. Vom Simpl-Team waren allerdings nicht
die Protagonisten Karl Farkas oder Maxi Böhm dabei sondern Gerhard Steffen,
Ossy Kollmann, Elli Naschold und andere. Es gab dabei auch kein
theaterbezogenes Fachsimpeln sondern einfache Unterhaltung unter flüchtigen
Bekannten.
Als Kultursponsor
bot Theo Kovacic Martin Flossman an, in den zum Theatersaal umgebauten Keller
seines Hauses in der Auerspergstraße im 8.Bezirk einzuziehen, wo dann auch
mehrere Jahre der „bunte Wagen“ seine Heimstätte hatte.
Bereits seit
seiner Schulzeit war Ossi Heiter Leser und Sammler von Comic-Heften und so wie
er bei den Büchern Rittersagen bevorzugte, war es bei den Comics die
Geschichten von Ritter Sigurd von Eckbertstein. Nicht überraschend war daher,
dass Ossi Heiter dem österreichischen Comicclub unter der Leitung von Franz
Virt beitrat. Diesem Verein gehörten nicht nur Sammler an, sondern auch
Verleger wie z.B. Heinz Pollischansky, der die deutschsprachigen Ausgaben von
Prinz Eisenherz (Prince Vaillant) herausgab.
Theo Kovacic,
Mensa-Mitglied und Flossmann-Sponsor organisierte für die Mensa eine
Gratisvorstellung im Bunten Wagen, wobei Ossi Heiter als Mensa-Sekretär Martin
Flossmann einige speziell für die Mensa ausgerichtete Sentenzen lieferte. Edith
Leyrer gehörte damals noch nicht dem Ensemble des bunten Wagen an, sondern war
nur als Mensa-Mitglied Gast in dieser Vorstellung.
Im Kabarett Simpl
in der Wollzeile hatte nach dem Tod von Karl Farkas im Jahr 1971 ein Triumvirat die Führung übernommen. Es gab niemand,
der Farkas komplett ersetzen konnte und so teilten sich diese Aufgabe Hugo
Wiener als Autor und Textdichter, Maxi Böhm als Conferencier und Peter Hey als
Regisseur. Dessen Sohn Heinz Hey hatte übrigens auch einige Zeit in Ossi
Heiters Humorfabrik mitgewirkt.
1974 erwarb Dr. Martin Flossmann den Simpl aus der Hand
von Baruch Picker (Farkas war "nur" künstlerischer Leiter, nie
Eigentümer) und übersiedelte mit seinem Kabarett "Der Bunte Wagen"
aus der Auerspergstraße in die Wollzeile. Zu seinem Ensemble gehörten u.a.
Tamara Stadnikow, Erwin Steinhauer, Hans Harapat, Louis Strasser, Edith Leyrer
und Kurt Sobotka. Nach wie vor lieferte Ossi Heiter auch immer wieder kleine
Textbeiträge.
1980 verstarb
Walter Höller, der Lebensgefährte von Gretel Höller und langjährige
Paradebösewicht und Hauptdarsteller der Pradler Ritterspiele. Ossi Heiter hatte
sich inzwischen in allen Rollen bewährt und übernahm nun in allen Pradler-Stücken
die Hauptrolle als Bösewicht.
Nach dem Tod von
Gretel Höller in Jahr 1988 übernahm Albert Lechner die Direktion der Pradler
Ritterspiele. Ossi Heiter verfasste neben Texten für den Simpl auch Beiträge
für andere Bühnen und Magazine. Als Mitglied des Comicsammlerclubs schrieb er
auch für das deutsche Fanmagazin „die Sprechblase“ laufend Artikel, unter
Anderem „Sigurd, der pradler Ritter“ in dem er Bezugspunkte und Gemeinsamkeiten
zwischen dem Ritter aus den Bildermagazinen mit den Bühnenrittern der Pradler
in humoristischer Form aufzeigte.
1993 ging nun der „simpl“ an Flossmanns langjährigen
Geschäftsführer Albert Schmidleitner über. Sein junger künstlerischer Leiter
Michael Niavarani (Autor, Darsteller, Conferenciere und vor allem Komödiant)
eröffnete in der Herbstsaison 1993 mit "100 Jahre Ketchup" eine neue
Ära des Kabarett Simpl. Von Anfang an mit dabei waren nunmehrige Stützen des
Hauses wie Sigrid Hauser und Viktor Gernot. Zum Ensemble gehörten unter
anderen: Steffi Paschke, Dolores Schmidinger, Theresia Haiger, Bettina Soriat,
Michael Mohapp, Rupert Henning, Andreas Steppan, Markus Mitterhuber, Roman
Frankl, Bernhard Murg, Christoph Fälbl, Herbert Steinböck und Gerold Rudle
1995 übernahm
Tamara Stadnikow, die sich von Martin Flossmann getrennt hatte, mit ihrem
Kabarett die Bühne im Prückl-Keller während Albert Lechner zunächst wieder mit
den Pradlern auf Wanderschaft ging.
Heinz
Pollischansky hatte inzwischen den Verlag an seine Schwester übergeben und ist
in die Gastronomie übergewechselt. 1996 eröffnete er sein erstes Lokal mit dem
Namen „Centimeter“, das sowohl von Ausstattung und Interieur wie auch mit
originellen Speisenangeboten eine ganz besondere Note hatte.
2004 übergab
Albert Lechner die Leitung der Ritterspiele an Ossi Heiter. Auf der Suche nach
einem neuen Domizil traf Ossi Heiter auf einen alten Freund aus dem
Comicsammlerclub. Der neue Leiter der "Pradler Ritterspiele" fand bei
Pollischansky, der in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von
„Centimeter“-Lokalen eröffnet hatte Unterschlupf.
Die Lokale hatten
in der Reihenfolge der Eröffnung die Bezeichnung „Centimeter I“,
(1996)„Centimeter II“,(1998) „Centimeter III“, (2000) usw.
Für die Pradler
Ritter fand sich im „Centimeter VI“ in Gersthof die Möglichkeit, nicht nur
einen großen Saal für Vorstellungen zu nutzen, sondern auch Abstell- und
Lagerraum für Kulissen, Requisiten und Kostüme, die bisher in einer Werkshalle
der Firma Augustin in Stockerau untergebracht waren. Dies hatte bisher bei
jeder Aufführung einen langen Transportweg erfordert.